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Die Geschichte Vörstettens

Thiermondinger
Auszug "Ueber die Geschichte des Dorfes Vörstetten von den Anfängen bis zur Gegenwart" von Prof. Christian Sütterlin, Freiburg 1955

Thiermendingen bei Vörstetten,

was für eine Bewandtnis hat es mit dem sagenumwobenen Thiermendingen?
"Thiermendingen" sei ein "verlorener" Ort, welcher einst bei Vörstetten im zweiten Landamt Freyburg stand.
Der Verfasser dieses Buches hat sich zur Aufgabe gemacht, diesem "verlorenen" Nachbarort unseres Dorfes nachzugehen. Da liegt nun vor ihm im Generallandesarchiv Karlsruhe ein Fascikel, der die Ueberschrift trägt: Hachberg, Vörstetten, Deutsch Orden, Turmentingen. Zehend Recht, Vergleich den Türmmttinger Hoff und dessen Gerechtigkeit betreffend. Diese Urkunde stammt aus dem Jahre 1512, also über 100 Jahre vor Ausbruch des 30jährigen Krieges.

Danach gehört in diesem Jahre der "Hoff" zu Türmentingen dem Commenthur des Teutschen Hauses zu Freyburg an einem Teil und dem Ehrsamen Vogt und Gericht zu Verstetten am andern Teil. "Es sollen die von Verstetten bei Eydespflichten schuldig sein, als sie auch das willig angenommen haben, des Commenthurs Güter in oben genanntem seinem (des Commenthurs) Hoff, bey Verstetten liegend, zu schützen, schirmen, handhaben und bewahren, wie andere Güter in ihren Zwingen u. Bännen liegend.

Im Jahre 1526, also 14 Jahre später, bekommt diesen "Hoff" Michel Günther von Verstetten "zu einem rechten, ewigen und steten Erb, als Träger und Meyer, für sich und seine Nachkommen, "mein des Ordens Hoff u. eigenen Gütern, den man spricht, d.h. den sogenannten "Dürmundinger Hoff", nämlich Haus, Hof, Scheuren, Aeckher, Matten, Holtz, Waldt, Wunn (Wiesen) und Waydt, mit allem, war darzu und darin gehört, Gesuchtes und Ungesuchtes, Gefundenes und Ungefundenes weder Kleines noch Grosses, "usgenommen" noch "vorbehalten" und darzu das Guth, genannt das "Scherlin". Das ist wichtig zur Bestimmung der Lage der "verlorenen" Siedlung: "stoßend" unden an den Stripfelgraben und uff deren von "Verestetten Allmendt", "so man gen Schupfholtz gandt (geht)" und stoßend uff die Schürmatten, die auch mir (dem Comtur des Deutschen Ordens zinst (gehört aber, wie der Comtur sagt, "nit in den Hoff"). Jtem (Ebenso) stoßend zur anderen Seiten uff Schupfholtzer Güther uf en Boetzenhofer Acker, uff den Heerweg, der von Dentzlingen gen Holtz Reutti geht, ziehend vom Heerweg die Güther hinab uff den Reutters Weeg "untz" d.h. bis an die Glotter.

Es ist noch von "Rittigütern" die Rede, die auch der Vörstettener Güther als Erblehen bekommen soll "streckend vom Hochgraben der Glotter nach bis an das Öwlin und ist der Glotterbach bis uf das Öwlin die Bannscheide zwischen dem gemeltem (erwähnten) Hag zeucht den Weg hinauf gegen Dentzlinger Weeg, der uf den Gießen geht und Schwinbogen und vom Schwinbogen ziehend herein uf die Lochmatten gegen Verestetten neben der Grub ist uf das Scherlin, bis uf den Stripfelgraben.

Auf dieser Fläche ist nach Ansicht des Verfassers das völlig verschwundene Thiermendingen, oder heute "Thiermondingen" zu suchen.

Wir gehen zurück bis zum Jahre 1008. In der Beschreibung des Wildbannes, welchen König Heinrich II. *) in diesem Jahre dem Hochstift Basel schenkt, heisst es ".... Et inde ad Werstetten et de illo loco ad Thiermondingen inde vero ad Ruthin etc.", also zu deutsch: Und von da nach Vörstetten und von diesem Ort nach Thiermondingen, von da aber nach Reuthe usw. In der päpstlichen Bestätigung für das Kloster Schuttern vom 28. Oktober 1136 wird derselbe Ort Dirmuntingen genannt und im Vergleich zwischen Kloster Schuttern und Heinrich von Crotzingen "Tiermundingen". Das Dorf erscheint dann in verschiedenen Urkunden, z.B. 1276 als Diermundingen, im Jahre 1344 als Thiermendingen. Nach dem Visitationsprotokoll vom Jahre 1482 hat "Türmuningen" noch eine Kapelle und war Filiale von Vörstetten. Es erscheint aber 1512 und 1526 nur noch als ein Hof, wie wir vorhin gesehen haben ebenso in der Deklaration des Predigerklosters zu Freiburg gegen die Deutschordenskommende im Jahre 1733 nur noch als Diermondinger Hof zu Vörstetten. Das Dorf lag etwa in der Mitte zwischen Oberreuthe, Vörstetten und Denzlingen. An es erinnert noch das innerhalb dieses Dreiecks liegende Wäldchen, "das Dermendinger Wäldele".

Es gibt Leute, alte Männer, in unserem Ort, die meinen Dirmentingen, gar Schupfholz seien älter als unser Ort. Das ist nicht der Fall. Vörstetten ist die Ursiedlung, wie festgestellt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um 260 n. Chr. Von Alemannen auf einem ihrer Eroberungszüge gegründet, Thiermondingen sind Tochtersiedlungen oder Filialen, ebenso Schupfholz in politischer und kirchlicher Beziehung. Das kann man auch daraus ersehen, dass sich viele Belege, die wir von beiden Orten haben, immer nach Vörstetten "konzentrieren".

Wenn nach den Forschungen des Verfassers Türmuningen im Jahre 1482 noch eine Kapelle hatte, ist anzunehmen, dass es noch ein Dorf war. Wenn 1512 es nur noch als ein Hof erscheint ohne jegliche Spur einer Kapelle, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Siedlung zwischen 1482 und 1512 untergegangen ist, also kurz vor dem Ausbruch des Bauernkrieges. Heutzutage erinnert ein im Jahr 2008 aufgestelltes Schild an den einstigen Weiler.

*)
Heinrich II., geb. 973, gest. 1024, letzter deutscher König des sächsischen Hauses, bekriegte den Herzog Boleslaw von Polen, entriss ihm Boehmen, wurde 1014 in Rom zum Kaiser gekrönt und hatte in Deutschland mehrere Empörungen zu bekämpfen, deren er mit kirchlicher Hilfe Herr wurde. Er erbaute den Dom zu Bamberg. Es interessiert uns in 1. Linie, dass 1008 unser Ort als "Werstetten" genannt wird, dann Thiermondingen und dann Reute, von Schupfholz ist nichts gesagt.




Welches waren nun die mutmaßlichen Gründe für den Untergang unseres Nachbarortes?
Wir kennen die Gründe für den Abgang einer Siedlung in den vergangenen Zeiten. Es können Kriege gewesen sein. In unserem Fall kamen weder der Bauernkrieg noch der 30jährige Krieg in Betracht, dann Seuchen und Feuer oder das Wasser. In Verdacht kommen hier Überschwemmungen der Glotter. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit spricht nicht dafür, denn es ist doch noch ein Hof geblieben. Vielmehr neigt der Verfasser der Ansicht zu, dass es sich um ein absichtliches Niederlegen der Siedlung handle aus wirtschafts- und siedlungspolitischen Gründen. Vgl. Das "Bauernlegen" der Städte, Klöster und weltlicher Herren. Wir wissen, dass vor 1512 über das in Frage kommende Terrain der Commenthur des Teutschen Hauses in Freyburg verfügte. Er hat es wohl so gemacht wie manche Klöster und Grundherrn in damaliger Zeit, die gewaltsam Dörfer in Gutshöfe verwandelt haben. So war es auch in Tiermentingen. Nach den Urkunden von 1512 und 1526 zu schließen sind die Bewohner dieses Ortes nach dem benachbarten Vörstetten "evakuiert" worden, um einen aktuellen Ausdruck zu gebrauchen, nicht etwa nach Denzlingen oder Reute, weil eben Vörstetten das Gemeinwesen war, zu dem seit Menschengedenken Tirementingen Beziehungen hatte.
Capella in Tirmentingen erat ecclesiae in Werstetin subceita. Zu deutsch: Die Kapelle in Tirmentingen war der Kirche zu Vörstetten unterworfen.

Vgl. über Schupfholz, der 2. Filiale von Vörstetten (S. 65).

Vgl. dazu, was Michael Walter über die abgegangenen Siedlungen im allgemeinen zu sagen hat, besonders über das "Bauernlegen".

M. Walter, die abgegangenen Siedlungen, Karlsruhe 1927.